Viel diskutiert und besprochen sind
sämtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Wirksamkeit
von Kündigungen.
Erst kürzlich sorgte das Video aus
einem Sylter Club medienwirksam für Aufruhr, in dem Gäste
fremdenfeindliche Gesänge von sich gaben. Im Anschluss hieran
sahen sich einige Arbeitgeber in der Verantwortung und sprachen
Kündigungen gegenüber der an dem Vorfall beteiligten
Mitarbeitenden aus. Doch was ist, wenn eine solche Kündigung
am Ende nicht standhält und Mitarbeitende nach Prozessende die
Weiterbeschäftigung verlangen? Wie sich die Rechtslage hierzu
darstellt und welche Möglichkeiten bestehen beleuchtet der
nachfolgende Beitrag.
I.
Wann besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch?
1. Grundsätzlich keine Weiterbeschäftigung vor Prozessende
Wenn Sie Arbeitnehmer*innen
kündigen, müssen Sie diese grundsätzlich nach Ablauf
der Kündigungsfrist – oder bei außerordentlicher
Kündigung ab sofort – nicht weiter
beschäftigen.
Anders ist dies nur dann,
-
wenn ein bei Ihnen bestehender Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat (Anspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG) oder
-
mit den Mitarbeitenden ein Prozessarbeitsverhältnis für die Dauer eines Kündigungsschutzprozesses vereinbart worden ist (zur Abwendung des mittlerweile häufig ohnehin überschaubaren Annahmeverzugslohnrisikos).
2. Prozessualer Weiterbeschäftigungsantrag
Wenn Beschäftigte den
Kündigungsschutzprozess verloren haben, ist das
Arbeitsverhältnis endgültig beendet. Sobald jedoch das
Arbeitsgericht erstinstanzlich entscheidet, dass die Kündigung
unwirksam war, soll nunmehr eine Vermutung dafür sprechen,
dass das Interesse der Arbeitnehmer*innen an einer
Weiterbeschäftigung überwiegt.
Der Große Senat des BAG hat schon
1985 entschieden, dass der/die gekündigte Arbeitnehmer*in
einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße
Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzprozesses hat, also für den Zeitraum, in
dem der Rechtsstreit in den höheren Instanzen anhängig
ist (BAG, Beschluss vom 27. Februar 1985 - GS 1/84). Voraussetzung
ist allerdings, dass tatsächlich ein
Weiterbeschäftigungsantrag gestellt wurde und
arbeitgeberseitig keine überwiegend schutzwerten Interessen
vortragen werden können. An Letzteres sind allerdings sehr
hohe Anforderungen zu stellen.
Regelmäßig wird der
Weiterbeschäftigungsantrag von Mitarbeitenden zusammen mit dem
Kündigungsschutzantrag eingelegt, sodass eine Entscheidung
hierüber zum Prozessende ergeht. Denkbar ist auch, dass die
Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung und den
Weiterbeschäftigungsantrag auseinanderfallen. Solche
Konstellation sind eher selten vorzufinden, können aber
beispielsweise bei einer unwirksamen Kündigung wegen
krankheitsbedingter Drogen- oder Alkoholabhängigkeit
vorkommen, bei der es aufgrund der immer noch bestehenden
Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, den/die
Arbeitnehmer*in weiter einzusetzen.
II.
Muss der Arbeitgeber sofort weiter beschäftigen?
Grundsätzlich ja. In der Regel
lohnt es aber, die Weiterbeschäftigung nicht zu vorschnell
anzubieten. Denn nicht immer möchten Mitarbeitende nach
gewonnenem Prozess direkt zurück zu ihrem Arbeitgeber. Solange
die Weiterbeschäftigung noch nicht verlangt wird und der/die
Mitarbeitende nicht tätig ist, muss auch noch kein Gehalt
gezahlt werden.
III.
Kann der Weiterbeschäftigungsantrag vollstreckt werden?
Doch es gibt auch Fälle, in denen
Beschäftigte zurück zum Arbeitgeber wollen. Der
sogenannte prozessuale Weiterbeschäftigungsanspruch kann nach
dem Abschluss der ersten Instanz vom Beschäftigten
gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden. Kommt dieser
dem nicht nach, kann der Anspruch sogar mittels Zwangsvollstreckung
durchgesetzt werden, welche mit Zwangsgeld und Zwangshaft vollzogen
werden kann.
Die Vollstreckung ist in der Regel
schwer abzuwehren. Als mögliche Einwendungen hiergegen kann
etwa die objektive Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung
vorgebracht werden. Diese kommt insbesondere dann in Betracht, wenn
der Arbeitsplatz offensichtlich nicht mehr existiert (hohe
Hürden), wenn ein Beschäftigungsverbot vorliegt oder eine
Dauererkrankung der zu beschäftigenden Person besteht.
Praxishinweis: Eine Vollstreckung scheidet dann aus, wenn der
Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung für den Fall
der fehlenden Weiterbeschäftigung verurteilt wurde (§ 61
Abs. 2 ArbGG).
IV.
Welche Handlungsoptionen haben Arbeitgeber?
Die folgenden Möglichkeiten
bestehen, wenn sich Arbeitgeber einem
Weiterbeschäftigungsanspruch ausgesetzt sehen:
-
Die Einlegung einer Berufung in Kombination mit einem Anspruch auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Darzulegen ist von Seiten der Arbeitgeber, dass die Vollstreckung einen "nicht zu ersetzenden Nachteile" mit sich bringen würde. Die Anforderungen in der Praxis sind hier leider sehr hoch (z.B. absehbarer Existenzgefährdung des Schuldners oder Wettbewerbsverstöße durch den/die Arbeitnehmer*in)
-
Der Ausspruch einer erneuten Kündigung mit anderem Kündigungsgrund (z.B. wegen Prozessbetrugs bei falschen Aussagen während des Verfahrens) und die Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage, die mit einer vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung verbunden wird.
-
Die Weiterbeschäftigung auf dem titulierten Arbeitsplatz, wobei der genaue Zuschnitt des Arbeitsplatzes und die zu erbringenden Tätigkeiten auch weiterhin dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen.
V.
Fazit
Verliert der Arbeitgeber den
Kündigungsschutzprozess, haben Mitarbeitenden in aller Regel
einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Ist dieser bereits mit
dem Urteil tituliert worden, besteht das Risiko einer
Zwangsvollstreckung durch den/die Arbeitnehmer*in, gegen die nur
eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten bestehen.
Überlegenswert ist die Erhebung einer
Vollstreckungsabwehrklage, in der weitere Einwendungen gegen das
Urteil geltend gemacht werden können.
The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.