Änderungen Im Recht Der Ad Hoc-Publizität Durch Den EU-Listing Act

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European Union Finance and Banking
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Bei dem EU-Listing Act handelt es sich um ein Gesetzespaket (bestehend aus einer Verordnung und zwei Richtlinien), mit dem der europäische Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die Attraktivität der Kapitalmärkte in der EU zu stärken und für europäische Emittenten den mit ihrer Börsennotierung verbundenen Regulierungsaufwand zu senken. Unter anderem sieht der EU-Listing Act Änderungen der Vorgaben der MAR zur Ad hoc-Publizität vor. Konkret werden in diesem Bereich drei wesentliche Neuerungen erfolgen.

Das von der Kommission vorgelegte Paket (siehe zum Konsultationsverfahren bereits unser Briefing vom 11. Juli 2022) hat– nach Zustimmung des Europäischen Rats am 14. Februar 2024 – am 24. April 2024 auch das Europäische Parlament gebilligt. Die förmliche Annahme durch den Europäischen Rat steht derzeit noch aus. Die Änderungen der MAR durch den EU-Listing Act sollen dann 18 Monate nach der Veröffentlichung und Inkrafttreten der betreffenden Änderungsverordnung im EU-Amtsblatt anwendbar sein. Nach Einschätzung von Vertretern der Kommission ist mit der förmlichen Annahme durch den Rat und der anschließenden Veröffentlichung im Amtsblatt, unter anderem aufgrund der noch ausstehenden Übersetzung des bislang nur in der englischen Sprachfassung finalen Textes in sämtliche Amtssprachen, nicht vor Ende des Jahres 2024 zu rechnen.

Die nachfolgende Übersicht ordnet die drei wesentlichen Neuerungen im Recht der Ad hoc-Publizität ein und gibt einen ersten Ausblick auf die Konsequenzen für die Praxis.

Es soll eine Neuorientierung bei der Zwischenschritt-Publizität bewirkt werden

Insider- und Ad-hoc-Recht werden partiell entkoppelt. Künftig soll rechtsfolgenseitig zu unterscheiden sein zwischen Insiderinformationen, die lediglich" das Verbot von Insidergeschäften begründen, und solchen, welche außerdem die Ad hoc-Publizität auslösen.

Unter Beibehaltung der gegenwärtigen Definition der Insiderinformation in Art. 7 MAR soll einerseits die Pflicht zur Ad hoc-Veröffentlichung künftig nicht mehr für Zwischenschritte bei gestreckten Sachverhalten gelten. Bei gestreckten Vorgängen sollen Emittenten lediglich verpflichtet sein, das Endereignis veröffentlichen. Andererseits ist bei Zwischenschrittinsiderinformationen" weiterhin das Verbot von Insidergeschäften zu beachten.

Konsequenzen für die Praxis:

Die rechtsfolgenseitige Unterscheidung bedingt Anpassungen bei den notwendigen Prüfungen und unternehmensinternen Abläufen:

  • Zwar werden Zwischenschritte in einem zeitlich gestreckten Vorgang grundsätzlich von der Veröffentlichungspflicht per Ad hoc-Mitteilung ausgenommen sein, stattdessen sind sie aber Gegenstand einer strengen Geheimhaltungspflicht bis zur Offenlegung des Endereignisses per Ad hoc-Mitteilung.

    Liegt ein Zwischenschritt vor, der für sich genommen die Kriterien der Insiderinformation erfüllt, ohne dass gleichzeitig auch das Ergebnis des Gesamtvorgangs bereits eine Insiderinformation darstellt, greift das Verbot von Insidergeschäften und es ist die Geheimhaltung der Zwischenschritt-Insiderinformation sicherzustellen und fortlaufend zu überprüfen.

    Die den Emittenten treffende Pflicht zur Geheimhaltung einer Zwischenschritt-Insiderinformation ist neu und geht über das bisherige und auch weiterhin bestehende Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung hinaus. Die neue Vorschrift verbietet nicht nur die Offenlegung, sondern verpflichtet dazu, die Geheimhaltung zu gewährleisten. Die pflichtgemäße Gewährleistung der Geheimhaltung setzt organisatorische Maßnahmen voraus. Emittenten sollten rechtzeitig vor Inkrafttreten der Änderungen überprüfen, ob sie die erforderlichen Strukturen und Prozesse eingerichtet haben.

    Bei Vorliegen einer Insiderinformation ist weiterhin eine Insiderliste anzulegen und bei Bedarf zu aktualisieren. Die auf der Liste erfassten Personen werden über ihre Aufnahme in die Liste in Kenntnis gesetzt und entsprechend sensibilisiert. Bei der in diesem Zusammenhang erfolgenden Belehrung und Aufklärung über das Verbot von Insidergeschäften und das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung sollten auch die Implikationen aus der neuen Emittentenpflicht zur Geheimhaltung berücksichtigt werden.

    Ein Aufschub kommt bei Zwischenschrittinsiderinformationen nicht mehr in Betracht, da noch keine Offenlegungspflicht besteht.
  • Ausnahmsweise wird auch für eine Zwischenschrittinsiderinformation die unverzügliche Offenlegung erforderlich sein, wenn die Geheimhaltung nicht mehr sichergestellt werden kann, etwa, weil Gerüchte über die Information kursieren.

    Diese Ausnahme erscheint wenig konsequent, da sie in einer Vielzahl der praktisch bedeutsamen Fälle keine wirkliche Entlastung erwarten lässt. Neben den neuen Maßnahmen zur Geheimhaltung sind aufgrund der Ausnahme de facto auch für Zwischenschrittinsiderinformationen vorsorgliche Ad hoc-Mitteilungen zu entwerfen und Maßnahmen für eine etwaige frühzeitige Veröffentlichung zu treffen, da trotz der Maßnahmen zur Geheimhaltung nicht gänzlich auszuschließen sein dürfte, dass es aufgrund eines Leaks zu einem Gerücht kommt.
  • Bei fortbestehender Geheimhaltung ist bei einem Zwischenschritt mit weiterem Fortgang des gestreckten Vorgangs und einzelnen weiteren Zwischenschritten laufend zu prüfen, ob inzwischen das Endereignis ausreichend wahrscheinlich und präzise geworden ist, um als solches die Kriterien einer Insiderinformation zu erfüllen.

    Bejahendenfalls entsteht die Pflicht zur Ad hoc-Veröffentlichung im Hinblick auf das Endereignis und es ist gegebenenfalls über die Möglichkeit des Aufschubs der Veröffentlichung des Endereignisses und nachfolgend über die Aufrechterhaltung oder Beendigung eines solchen Aufschubs zu entscheiden.

    Die exakte Abgrenzung zwischen (noch) Zwischenschritt und hinreichender Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des sich anbahnenden Endereignisses erscheint schwierig. Die herrschende Meinung entnimmt dem Geltl-Urteil weit überwiegend ein Wahrscheinlichkeitserfordernis von über 50 %. Dies folgt aber nicht aus einer eindeutigen Aussage des EuGH in dem einschlägigen Urteil, sondern nur daraus, dass der EuGH seinerzeit alle anderen Auslegungsvorschläge der dem Urteil zu Grunde liegenden Vorlage des BGH verworfen hat. Neben dieser rechtlichen Unsicherheit sind außerdem noch praktische Probleme bei der Wahrscheinlichkeitsbestimmung im konkreten Einzelfall zu erwarten.

    Beide Aspekte spielten in der Praxis bisher nur eine untergeordnete Rolle, weil unabhängig vom künftigen Endereignis auch jeder gegenwärtige Zwischenschritt eine präzise veröffentlichungspflichtige Information begründen konnte. Zukünftig werden sich eine praxistaugliche und belastbare Abgrenzung sowie und eine Best Practice zur Wahrscheinlichkeitsbestimmung noch herausbilden müssen.

Die Kommission soll per delegiertem Rechtsakt eine nicht abschließende Liste einschlägiger Informationen" festlegen, einschließlich des jeweiligen Zeitpunkts, zu dem vom Emittenten nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass er die Information offenlegt"

Durch die Liste soll eine europaweit einheitliche Auslegung der MAR gewährleistet werden, an der es bislang nach Auffassung des Unionsgesetzgebers mangelte, und es soll Emittenten mit größerer Rechtssicherheit ermöglicht werden, den richtigen Offenlegungszeitpunkt zu ermitteln.

Der Katalog wird voraussichtlich im Laufe des Übergangszeitraums von 18 Monaten bis zum Inkrafttreten der Neuregelungen des EU-Listing-Acts Konturen annehmen. Die Kommission wird den Sachverstand der ESMA, möglicherweise aber auch weiterer Experten, für die Zusammenstellung der relevanten Regelbeispiele einbinden. Von Vertretern der Praxis ist der Wunsch formuliert worden, dass die Liste möglichst extensiv ausfallen möge. Ob der Katalog für die Praxis verwertbar sein wird, hängt entscheidend davon ab, ob es der Kommission gelingt, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen notwendiger Abstraktheit und illustrativer Konkretisierung herzustellen.

Konsequenzen für die Praxis:

Da der Katalog im Einzelnen noch nicht absehbar ist, bleibt abzuwarten, inwieweit für die Praxis ein absehbarer Bedarf für Abweichungen von den darin benannten Regelbeispielen aufkommen wird und welchen Umfang die Prüfung der Veröffentlichungspflicht im Hinblick auf nicht benannte Fälle einnehmen wird.

  • Da in der Praxis Sachverhalte mit spezifischen Besonderheiten auftreten, muss eine andere Bewertung als in dem Katalog für den Regelfall vorgesehen möglich bleiben.

    Regelbeispiele, wie bisher in Deutschland im Emittentenleitfaden der BaFin aufgeführt, sind stets im Einzelfall dahingehend zu prüfen, ob eine zu veröffentlichende Insiderinformation vorliegt. Dabei kommt es stets auf die konkreten Umstände an.

    Etwaige von der Regel abweichende Bewertungen werden ausführlich zu begründen und zu dokumentieren sein.

    Losgelöst von einem konkreten Sachverhalt können Emittenten in engen Grenzen Linien festlegen, wie sie bestimmte Regelbeispiele zu interpretieren gedenken, um im Ernstfall eine weitere Orientierungshilfe an der Hand zu haben.
  • Klar ist bereits jetzt, dass trotz der noch zu erlassenden Regelbeispiele die Frage der Veröffentlichungspflicht im Grundsätzlichen niemals obsolet werden wird. Jeder allgemeinverbindliche Katalog ist niemals vollständig und immer unvollkommen.

    Da die von der Kommission zu benennenden Beispiele nicht abschließend sein werden, können aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls immer auch weitere Sachverhalte veröffentlichungspflichtig sein. Die von Emittenten zu treffenden organisatorischen Vorkehrungen, die sicherstellen, dass die zuständigen Ad-hoc-Komitees bei Bedarf zusammentreten, um im Einzelfall das Vorliegen einer zu veröffentlichenden Insiderinformation zu überprüfen und die Eignung einer angenommenen Insiderinformation zur erheblichen Kursbeeinflussung festzustellen, müssen daher auch außerhalb des Katalogs der Regelbeispiele wirksam sein.

    Da der von der Kommission zu erlassende Katalog ausdrücklich nicht abschließend sein wird, wird der Emittentenleitfaden der BaFin in Deutschland weiterhin eine praktische Bedeutung haben, soweit die darin beschriebenen Regelbeispiele nicht auch von dem noch zu erlassenden Katalog abgedeckt sein sollten.

Die bisher in den ESMA-Leitlinien geregelten Konkretisierungen für den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation sollen künftig unmittelbar durch die MAR geregelt werden

Bisher ist gemäß Artikel 17 Abs. 4 MAR eine Voraussetzung für den Aufschub, dass der Aufschub nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Die Eignung zur Irreführung hat die ESMA mit ihren Leitlinien in dreifacher Hinsicht konkretisiert. Danach soll die Eignung zur Irreführung mindestens dann anzunehmen sein, so dass ein Aufschub ausscheiden würde, wenn

  • die betreffende Insiderinformation sich wesentlich von den früheren öffentlichen Bekanntmachungen des Emittenten in der gleichen Angelegenheit unterscheidet,
  • die betreffende Insiderinformation zum Gegenstand hat, dass vorher verlautbarte finanzielle Ziele des Emittenten verfehlt werden,
  • oder, wenn die betreffende Insiderinformation im Widerspruch zu einer Markterwartung steht, die der Emittent zuvor selbst durch an den Markt gesendete Signale geschürt hat.

Durch die künftige unmittelbare Regelung in der MAR werden diese Leitlinien von ihrem bisherigen Status als Auslegungshilfe in den Rang verbindlicher Aufschubvoraussetzungen erhoben.

Konsequenzen für die Praxis:

  • Aufgrund der künftig höheren Verbindlichkeit wird den Emittenten weniger Beurteilungsspielraum verbleiben, um in der konkreten Situation einer abweichenden Auslegung des Merkmals Eignung zur Irreführung" zu folgen. In den einschlägigen Fällen wird künftig in aller Regel eine Ad hoc-Pflicht anzunehmen sein, was bedeutet, dass der Spielraum für einen etwaigen Aufschub sich erheblich reduzieren wird.
  • Ein gewisser Spielraum besteht aber weiterhin, solange noch der Erkenntnisbereich betroffen ist, beispielsweise, wann in tatsächlicher Hinsicht von dem Eintritt eines offenlegungspflichtigen Ereignisses, beziehungsweise der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Eintritts, auszugehen ist.

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