Mit einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 12.01.2021,  Az.: 2 AZN 724/20) hat sich das BAG mit der Problematik des Nachschiebens von Kündigungsgründen auseinandergesetzt. Das BAG hat dabei die bisherigen Rechtsgrundsätze bestätigt und einige höchst interessante Ausführungen zum generellen Charakter einer Kündigungserklärung getroffen.

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um die außerordentliche fristlose Kündigung eines Chefarztes. Kündigungsgrund war eigentlich eine Tätlichkeit gegenüber einer Mitarbeiterin. Der Arbeitgeber schob jedoch im Verlaufe des Verfahrens weitere Kündigungsgründe nach, von denen er bei Ausspruch der Kündigung keine Kenntnis hatte. Vor dem BAG argumentierte der Kläger unter anderem, dies sei nicht zulässig gewesen.

Dieser Argumentation hat das BAG eine klare Absage erteilt.

Die Thematik des „Nachschiebens“ von Kündigungsgründen ist ein Standardproblem in Kündigungsschutzprozessen. Anerkannt ist, dass zeitlich vor Kündigungsausspruch entstandene Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht länger als zwei Wochen bekannt waren, materiellrechtlich jederzeit nachgeschoben werden können (beispielsweise BAG, Urteil vom 06.09.2007, in: NZA 2008, 636). Die zeitliche Einschränkung bezüglich der Kenntnis der Kündigungsgründe folgt aus der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB.

Den Umstand, dass dies praktisch ohne Einschränkungen möglich ist, hat das BAG in dem aktuellen Beschluss vom 12.01.2021 nochmals bekräftigt. Das BAG führt zwar als theoretische Schranke an, in Extremfällen könne die Kündigung durch ein „Auswechseln“ von Gründen einen völlig anderen „Charakter“ erhalten. Allerdings wird dieser Schranke gleich wieder eine Absage erteilt. Es handele sich dabei um eine „verfehlte Vorstellung“. Die Kündigung habe als für sich genommen neutrales Gestaltungsrecht keinen anderen „Charakter“, als dass sie das Arbeitsverhältnis auflösen solle. Die Gründe der Kündigung seien nicht ihr integraler Bestandteil.

Falsch ist also nicht nur die manchmal noch anzutreffende Meinung, es müsse im Kündigungsschreiben ein Grund angegeben werden. Es ist noch nicht einmal notwendig, dass die Kündigung später tatsächlich mit demjenigen Grund begründet wird, der ursprünglich ihr Motiv war. Findet sich zu einem späteren Zeitpunkt ein besserer Grund, der zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht bekannt war, kann die Kündigung auch damit begründet werden.

Das BAG geht sogar noch weiter. Es meint, die Rechtsordnung missbillige es grundsätzlich nicht einmal, dass eine Kündigung „zunächst ohne jeden auch nur ansatzweise tragfähigen Grund gleichsam blanko erklärt“ wird. Ein Arbeitgeber dürfe eine Kündigung prinzipiell ohne jeden Grund erklären und darauf hoffen, der Arbeitnehmer werde keine Kündigungsschutzklage erheben, oder auch darauf hoffen, er werde vor Gericht einen Abfindungsvergleich schließen können. Schließlich sei es eben auch ohne Weiteres möglich, dass der Arbeitgeber noch rechtzeitig im Verlauf des Rechtsstreits einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung findet, der im Zeitpunkt ihres Zugangs objektiv bereits vorlag, ihm aber nicht bekannt war. So lange dieser Kündigungsgrund nicht sittenwidrig, maßregelnd oder diskriminierend sei, könne die Kündigung dann auf diesen neuen Grund gestützt werden.

Mit anderen Worten: Eine ohne jeden Grund ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung ist nur dann unwirksam, wenn sich auch später kein ausreichender Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB finden lässt.

Der Vollständigkeit halber ist insoweit natürlich noch darauf hinzuweisen, dass sich Schranken für das Nachschieben von Kündigungsgründen aus kollektivrechtlichen Grundsätzen ergeben können. Nachgeschobene Kündigungsgründe, die bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden und dem Arbeitgeber bekannt waren, über die er aber den Betriebsrat nicht informiert hat, sind im Prozess nicht zu verwerten. Bei Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung nicht bekannt waren, ist zunächst der Betriebsrat ergänzend anzuhören, bevor die Gründe dann im Kündigungsschutzprozess nachgeschoben werden können. Unterlässt der Arbeitgeber eine solche nachträgliche Betriebsratsanhörung, sind die Gründe im Prozess nicht verwertbar.

Fazit:

Zeigt sich im Kündigungsschutzprozess, dass ein ursprünglich als aussichtsreich eingeschätzter Kündigungsgrund im Ergebnis keinen Erfolg haben wird, weil beispielsweise das Gericht ein Abmahnungserfordernis annimmt, die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt wurde oder die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, lohnt sich eine Recherche nach etwaigen weiteren im Zeitung des Ausspruchs der Kündigung bereits objektiv vorliegenden Kündigungsgründen. Werden solche noch gefunden, kann der Prozess eine unerwartete (positive) Wendung nehmen.

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