Gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Finanzmarktregulierungen: Vorteile für die Vermögensverwaltungsbranche

Am 21. Dezember 2023 haben die Finanzminister der Schweiz und des Vereinigten Königreichs das Berne Financial Services Agreement über die gegenseitige Anerkennung ihrer Rechts- und Aufsichtsrahmen in ausgewählten Gebieten im Finanzbereich («MRA») unterzeichnet. Das MRA zielt darauf ab, die grenzüberschreitende Erbringung von Finanzdienstleistungen durch die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit ihrer Regulierungsstandards zu erleichtern, insbesondere in den Bereichen Banken,

Vermögensverwaltung und Versicherungen. Es wird erwartet, dass die Finanzinstitute der Schweiz und des Vereinigten Königreichs durch dieses Abkommen einen besseren Marktzugang und mehr Rechtssicherheit erhalten werden. In diesem Spotlight konzentrieren wir uns auf die Vorteile für die Vermögensverwaltungsbranche.

Mit dem MRA haben die Schweiz und das Vereinigte Königreich, zwei bedeutende internationale Finanzzentren, die Gleichwertigkeit ihrer Rechts- und Aufsichtsrahmen erstmals in einem verbindlichen internationalen Vertrag gegenseitig anerkannt. Die gegenseitige Anerkennung ermöglicht die reibungslose, grenzüberschreitende Erbringung von Finanzdienstleistungen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich in den vom MRA abgedeckten Sektoren und erleichtert den Zugang von Schweizer Finanzinstituten zum britischen Finanzmarkt. Bei einigen Finanzdienstleistungen werden in der Schweiz ansässige Unternehmen sogar in der Lage sein, Kunden im Vereinigten Königreich ihre Dienstleistungen unter weitgehender Einhaltung der schweizerischen Vorschriften anzubieten. Dasselbe gilt umgekehrt für Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich.

Gleichzeitig soll das MRA die Stabilität und Integrität des Finanzmarktes gewährleisten und den Kundenschutz garantieren, mithin zwei Schlüsselelemente des Abkommens.

Gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Finanzmarktregulierungen

Um den grenzüberschreitenden Marktzugang zu ermöglichen und zu erleichtern, anerkennen die beiden Länder ihre Rechts- und Aufsichtsrahmen für Finanzdienstleistungen gegenseitig als gleichwertig. Die Gleichwertigkeit wurde durch Assessments auf der Grundlage gemeinsam vereinbarter Kriterien für Finanzstabilität, Finanzmarktintegrität sowie Kunden- und Anlegerschutz in den vergangenen zwei Jahren, während denen verhandelt wurde, eruiert. Die Anerkennung der Gleichwertigkeit wird durch eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Aufsicht und Regulierung ergänzt.

Erleichterter Zugang zum britischen Finanzmarkt für Schweizer Unternehmen

Schweizer Marktteilnehmende profitieren vom MRA, indem sie für eine breite Palette von Finanzdienstleistungen einen vereinfachten grenzüberschreitenden Zugang zum britischen Finanzmarkt erhalten:

  1. Schweizer Finanzdienstleistende werden Finanzdienstleistungen, die unter das MRA fallen, für britische Kundinnen und Kunden mit einem Vermögen von über zwei Millionen britische Pfund erbringen dürfen.
  2. Im Bereich des Asset Management anerkennt das MRA den bestehenden Zugang zum britischen Markt für die Werbung und das Angebot von kollektiven Kapitalanlagen sowie die Möglichkeit, Portfoliomanagement- und Risikomanagementdienstleistungen zu erbringen.
  3. Im Versicherungsbereich bestätigt das Vereinigte Königreich die Möglichkeit für Schweizer Unternehmen, grenzüberschreitende Versicherungsdienstleistungen für grosse Firmenkunden nach geltendem britischen Recht zu erbringen.
  4. Für Finanzmarktinfrastrukturen anerkennt das MRA die Gleichwertigkeit der Regulierung von zentralen Gegenparteien, bestätigt den bestehenden Rechtsrahmen in Bezug auf Handelsplätze und erleichtert die Einhaltung der Marktverhaltensregeln für OTC-Derivatetransaktionen.

Für Kundinnen und Kunden, die unter das MRA fallen, bedeutet das Abkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich einen einfacheren Zugang zu Finanzdienstleistern und Kosteneinsparungen, da die Finanzdienstleistenden im grenzüberschreitenden Geschäft weiterhin ihr Heimatrecht anwenden können.

Zugang zu vermögender Privatkundschaft im Vereinigten Königreich

Darüber hinaus wird das MRA schweizerischen Finanzinstituten, die von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht («FINMA») bewilligt sind, nicht aber auch im Vereinigten Königreich nach dem Financial Services and Markets Act 2000 zugelassen sind, die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten im Vereinigten Königreich ermöglichen. Dies gilt insbesondere für die Ausführung von Aufträgen im Namen von Kundinnen und Kunden und die Portfolioverwaltung sowie Nebendienstleistungen (beides im Sinne des nationalen Rechts des Vereinigten Königreichs) für vermögende Kunden (einschliesslich Privatpersonen mit einem Nettovermögen von mehr als zwei Millionen britischen Pfund) und professionelle Kundschaft. Diese Dienstleistungen können entweder grenzüberschreitend oder im Rahmen einer vorübergehenden lokalen Tätigkeit erbracht werden. In Fällen, in denen das Vereinigte Königreich Schweizer Recht anerkannt hat, können Schweizer Finanzinstitute auch bei der Erbringung ihrer Dienstleistungen für Kundinnen und Kunden im Vereinigten Königreich weiterhin Schweizer Recht anwenden. Insbesondere Banken, Wertpapierhäuser, Verwalter von Kollektivvermögen, Fondsleitungen und Vermögensverwalter können von einer geringeren regulatorischen Belastung profitieren, da sie im anderen Land keine unterschiedlichen Vorschriften befolgen müssen und sich auf die vertrauten Vorschriften ihres Heimatlandes abstützen können. Im Gegenzug gelten für grenzüberschreitende Tätigkeiten zusätzliche Offenlegungs- und Berichterstattungspflichten.

Vor der Erbringung von Dienstleistungen für die Kunden im Vereinigten Königreich müssen Schweizer Firmen die Financial Conduct Authority («FCA») über die relevanten Finanzdienstleistungen informieren, die sie im Vereinigten Königreich erbringen wollen, damit sie in einem von der FCA zu diesem Zweck geführten Register eingetragen werden können.

Darüber hinaus müssen Finanzdienstleistende ihre Kundinnen und Kunden in einem Informationsdokument darüber informieren, dass sie (i) ein zugelassener und beaufsichtigter Finanzdienstleister mit Sitz in der Schweiz sind, der im Vereinigten Königreich nicht zugelassen oder reguliert ist, (ii), welcher Gerichtsstand für den abzuschliessenden Vertrag gilt und welches Recht darauf anwendbar ist, und (iii) dass das Entschädigungssystem für Finanzdienstleistungen sowie das System zur aussergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten bei Finanzdienstleistungen im Vereinigten Königreich nicht zur Verfügung stehen.

Zusätzliche Flexibilität für britische Unternehmen

Aus Sicht des Vereinigten Königreichs erhalten britische Finanzdienstleistende, die (i) im Vereinigten Königreich ansässig sind oder nach dortigem Recht gegründet wurden, (ii) von der zuständigen Aufsichtsbehörde im Vereinigten Königreich bewilligt sind, (iii) von der zuständigen Aufsichtsbehörde im Vereinigten Königreich eine Bewilligung für die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen im Vereinigten Königreich erhalten haben und (iv) die betreffende Dienstleistung im Vereinigten Königreich erbringen, ebenfalls zusätzliche Flexibilität. Sie können die folgenden Dienstleistungen in der Schweiz erbringen:

  1. Finanzdienstleistungen im Sinne des schweizerischen Finanzdienstleistungsgesetzes («FIDLEG»), insbesondere Vermögensverwaltungsdienstleistungen und Anlageberatung,
  2. Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Handel mit Effekten,
  3. Dienstleistungen im Zusammenhang mit Abklärungen hinsichtlich Investitionen und Finanz- oder Portfolioanalyse,
  4. Dienstleistungen im Zusammenhang mit Devisengeschäften; und
  5. Beratung und Dienstleistungen betreffend Unternehmensfusionen und -käufe.

Diese Dienstleistungen können für institutionelle und professionelle Kundinnen und Kunden in der Schweiz im Sinne des FIDLEG erbracht werden. Darüber hinaus können sie für natürliche Personen und für diese geschaffene private Anlagestrukturen erbracht werden, die erklärt haben, dass sie als professionelle Kunden behandelt werden wollen und über ein Vermögen von mindestens zwei Millionen Franken verfügen («High Net Worth-Kunden»).

Als weitere Erleichterung müssen sich die Kundenberaterinnen und Kundenberater von britischen Finanzdienstleistern nicht in ein Schweizer Beraterregister eintragen lassen. Die Finanzdienstleistenden sind jedoch nicht davon entbunden, sich zu vergewissern, dass (i) ihre Kundenberater über ausreichende Kenntnisse hinsichtlich der im FIDLEG festgelegten Verhaltensregeln verfügen und die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Fachkenntnisse besitzen, (ii) ihre Kundenberater über eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung verfügen und (iii) einem schweizerischen Ombudsmann angeschlossen sind, sofern dies nach dem FIDLEG erforderlich ist.

Bevor ein im Vereinigten Königreich ansässiger Finanzdienstleistender vom MRA erfasste Dienstleistungen erbringt, muss er seinen High Net Worth-Kunden ein Dokument zur Verfügung stellen, das demjenigen Dokument ähnelt, das Schweizer Firmen ihren britischen Kundinnen und Kunden zur Verfügung stellen müssen. Darin muss unter anderem festgehalten werden, dass die Pflicht zur Registrierung als Kundenberater im Sinne des FIDLEG für ihn nicht gilt und dass er gegebenenfalls einem Ombudsmann im Sinne des FIDLEG angeschlossen ist.

Vorteile für den Asset Management Sektor durch das MRA

Da das Asset Management bereits heute international ausgerichtet ist, zielt das MRA darauf ab, den derzeitigen Status quo zu stabilisieren. Dies betrifft die jeweiligen Regelungen in der Schweiz und im Vereinigten Königreich für die Werbung und das Angebot kollektiver Kapitalanlagen sowie die Möglichkeit, Anlageentscheidungen und das Risikomanagement von Portfolios zu delegieren.

Gemäss dem MRA dürfen britische Finanzdienstleistende, die in der Schweiz eine Vertretung nach dem Kollektiv anlagengesetz ernannt haben, weiterhin kollektive Kapitalanlagen, die ausschliesslich qualifizierten Anlegern offen-stehen und gegebenenfalls die schweizerischen Prospektvorschriften erfüllen, vom Vereinigten Königreich aus in der Schweiz bewerben und anbieten.

Asset Management Dienstleistungen können in der Schweiz für professionelle und institutionelle Kundinnen und Kunden im Sinne des FIDLEG sowie für vermögende Privatkunden und für diese geschaffene private Anlagestrukturen, die erklärt haben, als professionelle Kunden behandelt werden zu wollen, oder für nationale und supranationale öffentlich-rechtliche Körperschaften mit professioneller Tresorerie erbracht werden.

Zusätzliche Zusammenarbeit in weiteren Bereichen wie nachhaltige Finanzen

Neben der Erleichterung des gegenseitigen Marktzugangs haben die Schweiz und das Vereinigte Königreich auch vereinbart, in zukunftsweisenden Bereichen wie dem nachhaltigen Finanzwesen enger zusammenzuarbeiten, um die Möglichkeit einer künftigen gegenseitigen Anerkennung entsprechender Regeln und Standards zu prüfen.

Ausblick

Das MRA wird dem Schweizer Finanzsektor eine ganze Reihe von Vorteilen bringen. Sobald das Abkommen in Kraft getreten ist, wird es für Finanzdienstleistende einfacher sein, ihre Dienstleistungen im jeweils anderen Land anzubieten.

In einem nächsten Schritt muss das MRA von den Parlamenten beider Länder genehmigt und in nationales Recht umgesetzt werden, da es sich um ein nicht unmittelbar anwendbares Abkommen handelt und sich die Marktteilnehmenden daher nicht direkt auf die darin festgelegten Rechte berufen können.

Um das parlamentarische Genehmigungsverfahren einzuleiten, wird der Schweizer Bundesrat die Botschaft des MRA vorbereiten. Der genaue Zeitplan für diesen Prozess ist noch nicht bekannt, aber es wird erwartet, dass die Botschaft dem Parlament im Laufe des Jahres 2024 vorgelegt wird.

Keyfacts

01 Das MRA legt den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung des schweizerischen und britischen Rechts- und Aufsichtsrahmens im Bereich der Finanzdienstleistungen fest.

02 Das MRA erleichtert die grenzüberschreitende Erbringung von Finanzdienstleistungen und Vermögensverwaltungsdienstleistungen, insbesondere für vermögende Kunden.

03 Das MRA bildet die Grundlage für Marktliberalisierungsschritte in den Bereichen Banken und Finanzdienstleistungen, Vermögensverwaltung, Versicherungen und Börsen.

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